Warum der Brexit für Schottland noch nicht erledigt ist

Am 31.01.2020 hat der UK die EU verlassen, der Brexit wurde nach vielen Jahren endgültig beschlossen. Doch während Unternehmen in England nun bereits vollen Kurs auf Geschäfte ohne die Vorteile der EU nehmen müssen, besteht für solche in Schottland doch noch die Hoffnung, wieder zur EU gehören zu können. Wovon das abhängt und welche Schritte Unternehmer trotzdem tun sollten, erläutert dieser Artikel.

Wird es ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum geben?

Erst im Jahr 2014 durfte die schottische Bevölkerung darüber abstimmen, ob sie weiterhin zum UK gehören wollen, oder die Unabhängigkeit vorziehen. Die Wahl damals wurde knapp entschieden, aber 55,3 Prozent der Wähler bevorzugten, dass Schottland nicht unabhängig wird. Eine Entscheidung, die eventuell ganz anders ausgesehen hätte, wenn damals bereits der Brexit ein Thema gewesen wäre. Denn in diesem hatten die Schotten eine andere Meinung, als große Teile Englands. Hier entschieden nämlich 55 Prozent, dass der Verbleib in der EU die besseren Aussichten für den UK in Zukunft bringen würden. Dass Die Entscheidung für den Verbleib im UK den Austritt aus der EU mit sich bringen würde, war für viele ein großer Schock, einer der bis heute noch nicht überwunden ist.

Keine Überraschung also, dass die schottische Regierung darum bemüht ist, das Unabhängigkeitsreferendum zu wiederholen. Die Premierministerin Schottlands, Nicola Sturgeon, gab direkt nach dem Brexit bekannt, dass ihre Regierung alle Optionen durchleuchtet, um ein erneutes Referendum abzuhalten. Die Regierung des UK jedoch weigert sich, ein weiteres Referendum zu genehmigen.

Die blaue Flagge mit den Sternen der EU flattert weiterhin am Eingang des schottischen Parlaments

Die Premierministerin Schottlands nennt den Brexit eine Beleidigung der Demokratie, da ihr Volk mehrheitlich für einen Verbleib in der EU gestimmt hat und diese jetzt doch verlassen muss. Sie schwor, dass die Bürger Schottlands eine weitere Chance haben werden, ihre eigene Zukunft zu bestimmen. „Der Brexit hat Schottland auf einen falschen Weg gebracht. Und je weiter wir diesem folgen, desto schwieriger wird es sein, wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Wir müssen dies so schnell wie möglich tun“, verkündete sie. Allerdings will Boris Johnson dem schottischen Volk keine zweite Chance geben. Wohlwissend, dass nach dem Loslösen von der EU eine Trennung von Schottland England hart treffen würde. Denn die Regeln für Handel und Wirtschaft der EU würden dann auch über die Grenzen zu Schottland gelten.

Was bedeutet das für Unternehmer in Schottland?

Genau wie auch die Bevölkerung, ist selbstverständlich auch die Wirtschaft sehr zwiegespalten über die möglichen Folgen einer Unabhängigkeit vom UK und einem Wiedereintritt in die EU. Dies hängt größtenteils davon ab, in welchem wirtschaftlichen Verhältnis Unternehmer zu verschiedenen Ländern stehen. Unternehmen, die einen Großteil ihrer Kunden und Zulieferer im UK haben, werden eine Unabhängigkeit kaum wollen, solche hingegen, die viel Handel mit anderen EU-Staaten treiben, blicken schon ängstlich auf den 31.12.2020, wenn das bisherige Handelsabkommen nicht mehr gelten wird. Auf welche Art und Weise dann Handel und Geschäfte mit Unternehmen auf dem europäischen Festland getätigt werden können, hängt ganz davon ab, welches Abkommen zwischen dem UK und der EU zustande kommt. Diese Eventualitäten machen viele Unternehmer nicht nur in Schottland, sondern auch in England momentan sehr nervös.

Wer kann als Gewinner aus dem Brexit in Schottland hervorgehen?

Für einige Unternehmer kann der Brexit auch Vorteile mit sich bringen. Dazu gehören natürlich zuerst einmal Firmen, die Großteile ihrer Waren, Produktionsketten und Kunden im UK haben. Selbstverständlich hat für diese der Brexit kaum negative Folgen. Im Gegenteil, da die Konkurrenz vom Brexit härter getroffen werden könnte, ist hier sogar eine Chance zu sehen. Das gleiche gilt für solche Unternehmer, die schon länger mit dem Gedanken spielen, Produktion und Kundenstamm in Richtung Amerika auszubauen. Die britische Regierung hat natürlich geplant nach dem Brexit viel bessere Handelsabkommen mit den USA auszuhandeln, als es die ganze Zeit als Mitglied der EU gelaufen ist. Und der amerikanische Markt ist und bleibt eine Größe, die nicht zu unterschätzen ist. Doch auch Südamerika könnte sich als immer interessanter herausstellen, da vor allem Schwellenländer wie Brasilien immens wachsen. Es ist vorauszusehen, dass die Schwellenländer Brasilien, China, Indien und Südafrika fast die Hälfte der weltweiten Konsumentenausgaben schon im Jahr 2020 einspielen werden. Wenn man sich also in diese Richtung orientiert, kann man als Unternehmer getrost auf die Kunden in der EU verzichten. Diese Möglichkeit ist natürlich nur solchen Firmen gegeben, die auch Produkte herstellen, die in Schwellenländern besonders gefragt sind. Und damit kommen wir auch schon zur gegenüberliegenden Gruppe:

Wer wird vom Brexit besonders hart getroffen werden?

Anders steht es natürlich für Unternehmen in Schottland, die starke Beziehungen in die EU haben. Das betrifft selbstverständlich verschiedene Bereiche, ob den Wareneinkauf oder den Kundenstamm. Die größten Probleme werden jedoch vermutlich auf solche Firmen zukommen, die viele Mitarbeiter aus der EU beschäftigen. Die Zahl der Arbeitsmigranten aus der EU ist bereits um 70 Prozent gesunken, seit das Referendum stattgefunden hat und wird sich vermutlich auch noch weiter verringern. Wer jetzt jedoch davon ausgeht, dass es sich hierbei größtenteils um einfache Arbeiter handelt, täuscht sich. Denn auch die Zahl der Fachkräfte, die aus der EU im UK arbeiten, wird immer kleiner. Dies könnte für viele schottische Firmen ein echtes Problem darstellen, da die Ausbildung der nötigen Fachkräfte innerhalb des UK Jahre in Anspruch nehmen wird. Unternehmen, die vor allem Waren aus der EU beziehen, sollten die verbleibenden Monate des Jahres 2020 nutzen, um möglichst große Mengen der benötigten Produkte auf Vorrat zu kaufen. Ein Unterfangen, das vor allem wegen der Corona-Pandemie natürlich fast unmöglich scheint. Für sie ist wahrscheinlich die größte Hoffnung, dass Schottland sich doch noch vom UK abwendet und zur EU zurückkehrt, die das Land vermutlich mit offenen Armen empfangen wird.

Was gilt es also jetzt als Unternehmer in Schottland zu tun?

Zuerst einmal muss das eigene Unternehmen auf die zukünftige Situation hin geprüft werden. Wie groß sind die Abhängigkeiten von der EU wirklich. Brauche ich Waren, Personal und Kunden dringend aus der EU, oder kann ich auch anderswo Geschäfte abschließen und neue Absatzmärkte finden? Sollten Sie vor allem über einen Wechsel hin zu Beziehungen mit den USA nachdenken, zögern Sie nicht, uns anzusprechen. Wir können Ihnen mit unserer Expertise dabei gezielt weiterhelfen. Sollten Sie sich jedoch sicher sein, dass ihre Beziehungen zur EU nicht ersetzbar sind, ist die Hoffnung auf eine Unabhängigkeit Schottlands natürlich nicht genug. In diesem Fall sollten Sie selbstverständlich darüber nachdenken, ihren Firmensitz zu verlegen. Irland und Malta bieten sich für Unternehmen im UK generell an. Auch bei diesem Schritt können wir auf jahrelange Erfahrung zurückgreifen und würden uns freuen, wenn Sie uns kontaktieren.

 
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