UK Steuern & Recht

HMRC- & OECD-Leitlinien für durch COVID im Ausland gestrandete und dort tätige Mitarbeiter

Sie erhalten hier einen Überblick über die steuerlichen Anforderungen und Konsequenzen verschiedenster Konstellationen von entsandten Mitarbeitern.

In Kürze

Ein Jahr ist seit dem ersten COVID-19-Lockdown im Vereinigten Königreich vergangen, und in einigen Ländern der Welt gelten immer noch oder schon wieder neue Lockdowns oder mindestens erhebliche Einschränkungen. Weltweit haben sich viele Arbeitgeber damit befassen müssen, ob und wie Teamwork über Internettools und Videokonferenzen organisiert werden kann. Viele Mitarbeiter konnten oder können immer noch nicht regelmäßig im Büro vor Ort arbeiten. Der ein oder andere sitzt vielleicht sogar bis heute noch irgendwo fest.

Sowohl die britischen Steuerbehörden (HMRC) als auch die OECD haben vor kurzem zusätzliche Leitlinien zur Besteuerung von vorübergehend entsandten Arbeitnehmern veröffentlicht, um auf Fragestellungen hinsichtlich der steuerlichen Auswirkungen von COVID-19 zu reagieren.

Wegen der anhaltenden Reisebeschränkungen überschreiten viele eigentlich temporäre Arbeitsaufenthalte inzwischen 183 Tage – was eigentlich ein Auslöser für Steuerpflichten ist. Arbeitgeber müssen sich jetzt mit den steuerlichen Anforderungen und Leitlinien für eine ganze Reihe komplexer Arbeitsszenarien befassen. Das reicht von Arbeitnehmern, die immer noch unfreiwillig an einem anderen Ort festsitzen, weil sie zum Beispiel wegen Reisebeschränkungen nicht zurückkehren können, bis hin zu Arbeitnehmern, die jetzt dauerhaft aus dem Ausland arbeiten wollen.

Da das erste Steuerjahr von COVID-19 ausläuft (2020/21 UK, 2020 für Länder mit Kalenderjahr), müssen sich Arbeitgeber jetzt dringend einen Überblick über alle entsandten Mitarbeiter verschaffen, und über eine Gesamtstrategie für die künftige Gestaltung virtueller Arbeit im Unternehmen nachdenken. Dabei müssen natürlich die steuerlichen Anforderungen und Konsequenzen verstanden und berücksichtigt werden. 

HMRC-Leitlinien

Von britischer Seite gibt es mehrere Erleichterungen bei der steuerlichen Betrachtung von COVID-19-bedingten Auslandsaufenthalten von Personen, die im Vereinigten Königreich ihren Wohnsitz haben oder solche, die aus anderen Gründen hier steuerpflichtig sind. 

Besteuerung von COVID-19-Arbeitstagen im Vereinigten Königreich für nicht im Vereinigten Königreich ansässige Personen

Die jüngste Aktualisierung des HMRC gilt für Personen, die nicht im Vereinigten Königreich ansässig sind. Darin wird ausgeführt, dass die HMRC nicht beabsichtigt, Einkommen für im UK geleistete Arbeitstage von solchen Personen zu besteuern, die ungewollt im Zusammenhang mit COVID-19 im Vereinigten Königreich bleiben mussten oder immer noch bleiben müssen.

Die Steuerbefreiung gilt für den Zeitraum zwischen dem beabsichtigten und dem tatsächlichen Verlassen des Vereinigten Königreichs, insofern:

- die Person nach den inländischen Vorschriften nicht als im Vereinigten Königreich steuerlich ansässig betrachtet wird (bei der Bestimmung des steuerlichen Wohnsitzes werden außergewöhnliche Umstände berücksichtigt);

- die Person auch tatsächlich aufgrund von COVID-19-Beschränkungen im Vereinigten Königreich gestrandet ist;

- die Arbeitstage im Heimatland der Person besteuert werden; und

- die Person das Vereinigte Königreich so schnell wie möglich verlassen hat oder verlassen wird

Allerdings schreibt das HMRC vor, dass eine Einkommenssteuererklärung für das Vereinigte Königreich eingereicht werden muss, um diese Befreiung in Anspruch nehmen zu können. Wir gehen davon aus, dass dies in der Praxis noch zu einigen Schwierigkeiten führt. Das betrifft sowohl die Registrierung bei HMRC als auch die Einreichung der Steuererklärung.

Nicht ansässige Personen können den Online-Service von HMRC nicht nutzen und müssen stattdessen die Steuererklärung per Post einreichen (mit einer früheren Frist bis zum 31. Oktober). Oder sie erwerben extra hierfür eine Software bzw. beauftragen einen Steuervertreter um die Steuererklärung einzureichen.

Darüber hinaus äußerte sich die HMRC noch nicht, was genau als „im Vereinigten Königreich festsitzend“ gilt, sondern will die Umstände von Fall zu Fall prüfen. Das in den Leitlinien genannte Beispiel beschreibt den Fall einer Person, die sich selbst isoliert hat. Die HMRC hat aber angedeutet, dass auch Anträge von Personen wohlwollend geprüft werden, die nachweisen können, dass sie aus verschiedenen, aber nachprüfbaren Gründen im Vereinigten Königreich festsitzen (z. B. aufgrund von Reisebeschränkungen).

Befreiung von Arbeitstagen in Übersee

Im Vereinigten Königreich haben Personen im Vereinigten Königreich, die die „Remittance Basis“ in Anspruch nehmen, in den ersten drei Jahren ihres Steuerwohnsitzes im Vereinigten Königreich Anspruch auf Steuererleichterungen für Arbeitstage im Ausland. Dies gilt, wenn ihre Einkünfte im Ausland gezahlt und nicht ins Vereinigte Königreich überwiesen werden.

Die HMRC hat entschieden, dass eine Person vom HMRC besteuert wird, die aufgrund von COVID-19 im Vereinigten Königreich Zeiten gearbeitet hat, die eigentlich im Ausland geplant waren. Es gibt also wegen COVID-19 keine Entlastung für Arbeitstage, die theoretisch außerhalb des Vereinigten Königreichs geleistet worden wären, aber letztlich dann doch im UK ausgeführt wurden. 

Inländischer Wohnsitz im Vereinigten Königreich – außergewöhnliche Umstände

Bei der Beurteilung, ob eine Person ihren steuerlichen Wohnsitz im Vereinigten Königreich nach den Kriterien des Statutory Residence Test (SRT) hat oder nicht, können nach britischem Recht bei „außergewöhnlichen Umständen“ bis zu 60 Tage von in den Aufenthaltskriterien festgelegten Tageszahlen abgezogen werden. Die HMRC akzeptiert als “außergewöhnliche Umstände” (a) COVID-19-Quarantänezeiten, (b) offizielle Regierungsempfehlungen, aufgrund von COVID-19 nicht zu reisen, (c) die Unmöglichkeit, das Vereinigte Königreich aufgrund von Reiseabsagen zu verlassen, und (d) die Bitte des Arbeitgebers einer Person, vorübergehend ins Vereinigte Königreich zurückzukehren.

Obwohl die Beschränkungen immer noch andauern, hat das HMRC allerdings bereits erklärt, dass eine Verlängerung der 60-Tage-Frist nicht geplant ist. Darüber hinaus gelten außergewöhnliche Umstände nicht für Arbeitstage innerhalb des Vereinigten Königreichs. Wenn also eine Person sich darauf verlassen hat, im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung im Ausland steuerlich nicht im UK ansässig zu werden (eines der erforderlichen Kriterien dafür ist, nicht mehr als 30 Arbeitstage im Vereinigten Königreich zu verbringen), und anschließend mehr als 30 Tage im Vereinigten Königreich im Rahmen einer Fernbeschäftigung verbracht hat, wird sie die Kriterien für eine steuerliche Nichtansässigkeit nicht erfüllen.

Globale Position – aktualisierte OECD-Leitlinien

Natürliche Personen müssen ihre steuerliche Ansässigkeit nach dem geltenden Steuer-Recht sowohl an ihrem „Heimatort“ als auch an dem Ort, an den sie versetzt wurden – sei es im Vereinigten Königreich oder anderswo –anerkennen.

Am 21. Januar 2021 veröffentlichte die OECD aktualisierte Leitlinien zu Steuerabkommen und den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Sie bieten eine nützliche Übersicht darüber, wie verschiedene Länder mit dem Thema von entsandten Arbeitnehmern umgehen und welche Erleichterungen und Sonderregelungen einige Länder bereits geschaffen haben. Der Leitfaden ist gleichzeitig ein Aufruf an die verschiedenen nationalen Steuerbehörden, ähnliche Ansätze zu prüfen und in Erwägung zu ziehen sowie die nationalen Regelungen im Interesse der Arbeitgeber und Arbeitnehmer weitgehend zu harmonisieren.

Zusammengefasst:

  • Die OECD betont, dass ihre Leitlinien darauf abzielen, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, aber keinesfalls zu einer doppelten Nicht-Besteuerung führen sollen.

  • Die nationalen Steuerbehörden können letztlich einen eigenen Ansatz verfolgen, dann ist es aber umso mehr wichtig, dass sich die jeweiligen  Steuerbehörden umfassend informieren und  insbesondere die unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Staaten (z. B. in den USA) berücksichtigen.

  • Viele Steuerbehörden haben bereits eigene praktische Leitlinien für eine Veranlagung und Besteuerung unter Berücksichtigung von COVID-19 herausgegeben, und die OECD fasst viele typische Referenz-Anwendungsfälle aus aller Welt zusammen. Auch sehr individuelle länderspezifische Vereinbarungen und Bestimmungen werden beschrieben. 

  • Die OECD vertritt die Auffassung, dass Einschränkungen in Verbindung mit COVID-19 im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die zu einer außergewöhnlichen, vorübergehenden Änderung des Arbeitsortes geführt haben (zum Beispiel Homeoffice-Arbeit), nicht automatisch eine neue Betriebsstätte begründen. Für Baustellen-Betriebsstätten sollten Steuerbehörden möglicherweise in Erwägung ziehen, für die Zeiträume des Stillstands „die Uhr anzuhalten“.

  • Arbeitgeber, die nach Aufhebung von Reisebeschränkungen oder anderen Einschränkungen weiterhin aus der Ferne arbeiten wollen, müssen gemeinsam mit ihren Arbeitgebern die steuerlichen Auswirkungen besprechen. 

  • Die OECD ist auch der Ansicht, dass sich die steuerliche Ansässigkeit von Unternehmen nicht ändern sollte, wenn durch Covid-Reisebeschränkungen oder anderen Einschränkungen die Vorstandsmitglieder oder leitende Angestellte die Leitung von einem anderen Ort ausüben (z. B. bei virtuellen Vorstandssitzungen). Es handelt sich ja um eine außergewöhnliche und vorübergehende Situation.

  • Bei natürlichen Personen geht die OECD auf zwei spezifische Szenarien ein. Das erste ist eine Person, die aufgrund von COVID-19 vorübergehend im Ausland festsitzt (z. B. im Urlaub oder an einem anderen Arbeitsort). Der zweite Fall ist eine Person, die in einem Land arbeitet, aber aufgrund von COVID-19 vorübergehend in ihr früheres Heimatland zurückkehrt. In beiden Fällen vertritt die OECD die Auffassung, dass, wenn die Person in beiden Ländern steuerlich ansässig ist, die COVID-19-bedingte Zeit des Ortswechsels nicht berücksichtigt werden sollte. Vor allem, wenn sehr wahrscheinlich der Arbeitsort künftig wieder auf den Ort vor COVID-19 verlegt wird.

  • In Bezug auf die Besteuerung von Arbeitseinkommen vertritt die OECD die Ansicht, dass eine Person, die aufgrund von COVID-19-Beschränkungen gehindert wird, sich für eine Befreiung der Besteuerung gemäß dem Artikel über Arbeitseinkommen (DBA) zu qualifizieren, die Steuerbehörden die 183-Tage-Regelung außer Acht lassen könnten. Die OECD schlägt vor, dass dies auch für Personen gelten sollte, die aufgrund einer Quarantäne an der Reise gehindert sind, oder wenn die Regierung ein Reiseverbot verhängt hat oder wenn Flüge gestrichen wurden. Insbesondere ist die OECD der Ansicht, dass dies nicht für diejenigen gilt, die lediglich der Empfehlung einer Regierung folgen, unnötige Reisen zu vermeiden. Die OECD weist auch darauf hin, dass einige Länder möglicherweise eine andere Auffassung vertreten und empfiehlt, die Steuerbehörden vor Ort zu kontaktieren, um sich die Situation bestätigen zu lassen.

In der Praxis ist der zusätzliche Leitfaden zwar sehr zu begrüßen, macht aber auch deutlich, dass es für Steuerbehörden, Arbeitgeber und Arbeitnehmer schwierig ist, sich im Bereich der entsandten Arbeitnehmer zurechtzufinden. Die Leitlinien der Steuerbehörden variieren von Land zu Land und ändern sich regelmäßig. Sobald die Steuerbehörden diesen aktuellen OECD-Kommentar geprüft haben, werden wahrscheinlich weitere Aktualisierungen folgen.

Die HMRC vertritt die Ansicht, dass die bisher herausgegebenen Leitlinien mit den zuvor veröffentlichten OECD-Leitlinien zum 3. April 2020 übereinstimmen (siehe unsere vorherigen Erläuterungen). Bisher hat die HMRC noch kein Update zu diesen neuen Leitlinien gegeben, und es wird interessant sein zu sehen, ob die HMRC Anpassungen für notwendig hält.

Das Fazit

Immer noch beeinflusst das COVID-19-Geschehen weltweit die Möglichkeiten und Entscheidungen, wo und wie viele Menschen arbeiten. Die Länder gestalten ihre individuellen Gesetze und legen die OECD-Leitlinien unterschiedlich aus. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich daher selbst ein Bild über die Auswirkungen verschaffen und verstehen, wo es möglicherweise Unstimmigkeiten zwischen den verschiedenen Rechtssystemen gibt, und welche steuerlichen Konsequenzen entstehen.

Arbeitnehmer

Arbeitnehmer tragen eine persönliche Steuerverantwortung und müssen sich sowohl über den individuellen steuerlichen Wohnsitz als auch über die steuerlichen Auswirkungen (z. B. Sozialversicherung, Einwanderung) ihres COVID-19-bedingten Arbeitsort-Wechsels im Klaren sein, auch wenn dieser nur vorübergehend ist. Britischen Steuerbehörden verlangen britische Steuererklärungen, wenn im Vereinigten Königreich gearbeitet wurde – selbst bei sehr kurzen Entsendungen!

Arbeitnehmer, die mehr als 183 Tage in einem Land verbracht haben, müssen sorgfältig abwägen und sich bei den örtlichen Steuerbehörden erkundigen, ob dies zu einer Änderung der steuerlichen Pflichten führt oder ob es Sonderregelungen gibt. Arbeitnehmer sollten sich überlegen, ob die Versetzung tatsächlich nur vorübergehend ist. Viele Arbeitnehmer haben entscheiden doch dauerhaft an dem zunächst temporären Standort zu bleiben.

Im Fall von Arbeitnehmern mit doppeltem Wohnsitz sind die OECD-Richtlinien sehr hilfreich und bringen Klarheit. Anders aber Arbeitnehmer mit nur einem Wohnsitz, welche jetzt vielleicht feststellen, dass sich durch die COVID-19 bedingte Veränderung des Arbeitsorts der steuerliche Wohnsitz geändert hat. Das kann einige Komplexitäten mit sich bringen – möglicherweise müssen Steuern aus einem Land zurückgefordert und in einem anderen Land gezahlt werden. Erfahren Sie hier mehr zu den Quellensteuern in England.

In der Praxis herrschen immer noch Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ländern darüber, wer das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus unselbständiger Arbeit hat, wenn ein Arbeitnehmer seinen Wohnsitz verlegt. Es kommt sogar vereinzelt zu Fällen doppelter Nichtbesteuerung. Die OECD fordert die Länder zwar auf, sich abzustimmen, aber es kann Zeit und Mühe kosten, insbesondere wenn kein DBA besteht. Arbeitnehmer sollten unbedingt detaillierte Aufzeichnungen über gebuchte, stornierte und umgebuchte Flüge sowie Notizen über Reisebeschränkungen aufbewahren, um später etwaige Ansprüche zu belegen.

Arbeitgeber

Da das erste Steuerjahr von COVID-19 ausläuft (2020/21 UK, 2020 für Länder mit Kalenderjahr), müssen Arbeitgeber prüfen, ob für ihre entsandten Arbeitnehmer irgendwelche Verpflichtungen bestehen, und sollten Folgendes beachten:

  • Prüfen und Dokumentieren, wo sich die Mitarbeiter befinden und wie lange sie aus der Ferne arbeiten bzw. wohin sie zurückkehren wollen;

  • Dokumentieren, welche global mobilen Mitarbeiter von staatlichen Subventionsprogrammen/ Ausfallzahlungen betroffen sind;

  • Überprüfung der Positionen in Bezug auf Heimat-/Gastlandsteuer, Sozialversicherungspflicht, Einwanderung und steuerliche Ansässigkeit sowohl nach inländischen Vorschriften als auch nach DBA;

  • Komplexität von Steuererklärungen und Unterstützung bei der Einhaltung von Vorschriften, einschließlich möglicher Auswirkungen von Vorjahreserklärungen;

  • Teamübergreifende Zusammenarbeit – sei es zwischen HR, Global Mobility, Corporate Tax und Payroll -, um sicherzustellen, dass Richtlinien und Leitlinien unter Berücksichtigung aller Aspekte einheitlich angewendet werden;

  • Bewertung der Lohnsteuer- und Gehaltsabrechnungsrisiken am Heimatstandort und an den anderen Standorten;

  • Prüfung, ob die Verlagerungen immer noch auf COVID-19-Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zurückzuführen sind, oder ob einige Verlagerungen jetzt der „neue Normalzustand“ sind und zusätzliche Maßnahmen erfordern; und

  • Berücksichtigung der allgemeinen politischen Lage. Gibt es staatliche Unterstützung für gestrandete Mitarbeiter?